Solarparks von Bürger:innen für Bürger:innen
„PV auf unserem Ackerland? Wenn, dann nur in Bürgerhand!” könnte der provokante Slogan einer Bürgerbewegung lauten. Warum wir uns für Solarparks von Bürger:innen für Bürger:innen einsetzen und wie wir das tun, erzählen wir Ihnen in diesem Artikel.
Warum wir uns für mehr Freiflächen in Bürgerhand einsetzen – und wie wir das tun
Als Quelle für Erneuerbare Energien hat Solar eine deutlich höhere Akzeptanz als Windkraft. Der Zubau an Photovoltaik im Jahr 2024 sprengte alle Erwartungen und Rekorde – und führte gemeinsam mit Wind und Wasser zu Spitzenwerten: 57 % des deutschen Bruttostromverbrauchs speisten sich aus Erneuerbaren Energien. Dennoch:
Möglicher Verlust von Ackerland, Eingriff in die Landschaft: Vorbehalte gegen PV-Anlagen auf freien Flächen sind erst einmal nachvollziehbar. Die Ausbaupläne der Bundesregierung treffen auf eine boomende Solarbranche inklusive Projektierer: innen, großer Energieversorger, Investor:innen. Alle vermitteln sie den Eindruck, als stünden sie mit gezückten Spaten vor den Äckern dieser Nation. Und die Bürger:innen? Viele fühlen sich zurecht nicht mitgenommen, nicht aufgeklärt, an der Energiewende nicht beteiligt. Sie stellen Fragen nach der richtigen Nutzung der Flächen, nach dem möglichen Verlust von Ackerland, nach ökologischen Aspekten und – nicht zuletzt – nach dem Fluss des Geldes.
- Laut Überblicksstudie des Öko-Instituts könnten allein an Seitenrandstreifen, über Parkplätzen sowie auf Industrie- und Gewerbeflächen zusätzliche 287 Gigawatt Solarenergie installiert werden.
- Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2023 gibt bis zum Jahr 2030 ein Ausbauziel von 215 Gigawatt (GW) für die Photovoltaik vor.
- Die installierte Photovoltaik-Leistung auf Ackerflächen und Randstreifen an Verkehrswegen entspricht aktuell 0,07 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands.
Eine Lösung, die Bürger:innen von Anfang an als wichtige Bezugsgruppe einbezieht, ist es, PV-Freiflächen konsequent in Bürgerhände zu legen: Für Kommunen ergibt sich eine große Chance, wenn die Solarparks, die an Schienen oder an Autobahnen entlang entstehen, in Miteigentum der Bürger:innen vor Ort sind. Unsere Erfahrung mit Bürgerenergie-Projekten aus den vergangenen zehn Jahren zeigt: Wenn Bürgerbeteiligung richtig umgesetzt wird und die Wertschöpfung vor Ort bleibt, ist die Akzeptanz für Energiewende-Projekte hoch. Menschen erleben, wie sie selbst lokal zum Ausbau Erneuerbarer Energien beitragen und persönlich davon profitieren können. Das bestätigt auch eine Überblicksstudie des Instituts für angewandte Ökologie. In der Pressemitteilung zur Studie heißt es: „Obwohl Umfragen zeigen, dass der Großteil der Bevölkerung dem Ausbau der erneuerbaren Energien grundsätzlich positiv gegenübersteht, gibt es angesichts konkreter Projekte oft Befürchtungen. Insbesondere das Bebauen fruchtbarer Ackerböden oder wertvoller Flächen für den Tourismus wird kritisch gesehen. Die Studie zeigt, welche Interessen in der Landnutzung aufeinandertreffen und welche Ansätze der Konfliktlösung es gibt. Deutlich wird auch, dass wenn Bürgerinnen und Bürger einer Kommune an den Erträgen von Erneuerbaren-Energien-Anlagen beteiligt werden, ihre Motivation steigt, deren Ausbau aktiv mit voranzutreiben."
Projektentwickler Fabian Stoffel mit dem Flächenbesitzer und Verteter:innen der lokalen Bürger-Energiegenossenschaft.
Mit dem Ziel, zwischen Energiegenossenschaften, Kommunen, Bürger:innen und Flächenbesitzer:innen das perfekte Match zu finden, riefen wir vor eineinhalb Jahren die gemeinschaftliche PV-Freiflächenentwicklung „Freiflächen in Bürgerhand” ins Leben. Bei unserem Start im vergangenen April beteiligten sich neun Mitgliedsgenossenschaften der Bürgerwerke. Mittlerweile ist die Zahl bereits auf 14 Energiegenossenschaften gestiegen. Denn das Konzept, die unterschiedlichen Bedarfsgruppen zusammenzubringen, um einen Solarpark in Bürgerhand entstehen zu lassen, funktioniert: Unter Vertrag sind aktuell Projekte mit einer Gesamtgröße von 68 MW und erste Projekte sollen schon in den kommenden Monaten Baureife erlangen. „Wir finden gemeinsam mit den Menschen vor Ort Antworten auf die drängendsten Fragen”, sagt unser Projektentwickler Fabian Stoffel. So können die Engagierten, die seit Jahren die Energiewende in ihrer Region umsetzen, den Bürger:innen viele Bedenken nehmen und ganz konkrete Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigen.
Zum Beispiel die Frage: Wieso überhaupt Freiflächen?
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat unter der aktuellen Bundesregierung deutlich zugenommen. Um unsere Ziele einer 100 %igen Versorgung durch Erneuerbare Energien zu erreichen, müssen wir den Zubau aber weiter hochhalten. Photovoltaik ist da eine hervorragende Möglichkeit. Das Potenzial gerade für den Beitrag von Sonnenenergie zur Erreichung der Klimaziele ist tatsächlich enorm. Gleichzeitig bieten sich versiegelte Flächen wie Dächer oder Parkplätze ebenfalls an. Warum also Freiflächen? „Die Bemühungen, zunächst versiegelte Flächen zu belegen, finden wir richtig und wichtig”, stellt Kay Voßhenrich, unser Leiter PV-Freiflächen, fest. „Auf einen Ausbau von Solarparks auf Freiflächen können wir trotzdem nicht verzichten. Die Bebauung der versiegelten Flächen allein reicht nicht für die Erreichung der Ausbauziele. Denn auch die vorhandenen Kapazitäten an Fachkräften sind ein limitierender Faktor. Wenn wir die Leistung einer Freifläche auf Dächern installieren würden, bräuchten wir dafür ein Vielfaches an Zeit und Personal. Das ist auch ein Grund, warum Strom aus Freiflächenanlagen günstiger ist als Strom aus Dachanlagen.”
Sorgen, dass bald auf jeder Wiese ein Solarpark wächst, sind dennoch unbegründet. „In Deutschland stehen deutlich mehr Flächen für den Ausbau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen zur Verfügung als nach aktuellen Abschätzungen für ein vollständig erneuerbares Stromsystem benötigt werden”, schreibt das Institut für Ökologie. In Zahlen ausgedrückt schätzt das Umweltbundesamt den zusätzlichen Flächenbedarf für das Ausbauziel der Bundesregierung nach eigener Rechnung auf ca. 32.000 zusätzliche Hektar Land. Zusammen mit der bereits installierten Leistung läge die benötigte Fläche für Photovoltaik-Freiflächen bei 0,3 % der Gesamtfläche Deutschlands. Nimmt man sehr vereinfachend an, dass ausschließlich auf landwirtschaftlich genutzten Flächen zugebaut würde, läge der Anteil nach einem Gutachten des Umweltbundesamtes immer noch bei lediglich 0,6 % für PV. Zum Vergleich: Aktuell bauen wir auf beinahe 14 % der landwirtschaftlich verfügbaren und genutzten Flächen Energiepflanzen wie Mais und Raps an. Diese erzeugen aber weit weniger Energie pro Fläche als Solarparks.
„Hinzu kommt, dass das EEG die Bebauung von Flächen reglementiert”, führt Kay Voßhenrich weiter aus. „Es werden nur bestimmte Flächen gefördert. Dabei handelt es sich vor allem um die bereits erwähnten Grünstreifen oder auch Flächen in sogenannten benachteiligten Gebieten. Wer also eine Förderung möchte, bewegt sich bei der Suche nach einer geeigneten Fläche in einem festen Rahmen.”
Oder die Frage: Was ist mit dem Artenschutz?
Eine Sorge, die viele Menschen trotz der Begeisterung für die Energiewende umtreibt, ist der Naturschutz. Hier wird in den Kommunen häufig diskutiert, wie groß der Eingriff in die Natur ist und ob die Artenvielfalt leiden könnte. Denn auch wenn die Auswirkungen von Solartechnologie auf Naturräume kleiner sind als bei anderen Formen der Energiegewinnung: Jeder Eingriff in eine Landschaft kann den natürlichen Lebensraum beeinträchtigen. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) setzt sich bundesweit dafür ein, Naturschutz bei der Energiewende mitzudenken und gemeinsam mit Landwirt:innen die Artenvielfalt in Solarparks zu stärken. Um die Auswirkungen von Solarparks auf die Natur besser beurteilen zu können, gab der bne eine Feldstudie in Auftrag. Seit kurzem liegen die ersten Ergebnisse vor: Sie weisen darauf hin, dass die Artenvielfalt durch die Bebauung mit Solar steigt. Robert Busch, Geschäftsführer beim bne, fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen: „Mit den PV-Anlagen auf Freiflächen erzeugen wir einen Dreiklang, denn biodiverse Solarparks vereinen Artenvielfalt, Energiewende und Landwirtschaft.” Und der NABU schreibt dazu: „Neben den bekannten positiven Effekten, wie der Vermeidung von CO2 und Luftschadstoffen, können Solarparks [...] zu einer ökologischen Aufwertung von Flächen beitragen, etwa von Industriebrachflächen und artenarmen Agrarland. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Kriterien berücksichtigt werden, die der NABU gemeinsam mit dem Bundesverband Solarwirtschaft erarbeitet hat.”
Die Fakten und Zahlen sprechen sich also deutlich für die PV-Freiflächenentwicklung aus. Doch sie müssen auch vermittelt, in einen Kontext gesetzt, mit Beispielen erklärt werden. Die Menschen interessieren sich für ihre Umwelt, sie wollen wissen, was vor ihrer Haustür entsteht. Und sie wollen, dass ihre Fragen Raum bekommen. Diese wichtige Arbeit leisten die Energiegenossenschaften vor Ort. Mit hervorragenden Ergebnissen.
Mitglieder der Bürger-Energiegenossenschaft legen Blühstreifen an für mehr Biodiversität auf Freiflächen.
Die Aufgabe der Bürgerwerke
Was machen die Bürgerwerke bei all dem?
Das, was sie jeden Tag tun: Sie versuchen, die Energiewende in Gemeinschaft möglich zu machen. Denn wenn die Flächenbesitzer:innen gefunden, die Bedenken der Bürger:innen ausgeräumt und der Betrieb der späteren Solaranlage durch eine Energiegenossenschaft geklärt sind, ist ja noch längst nicht alles erledigt. Denn dann kommt die Umsetzung.
Dafür haben wir gerade unsere erste Tochtergesellschaft gegründet, die Bürgerwerke Beteiligungs GmbH. Diese wird zukünftig die Verwaltung der Projektgesellschaften übernehmen. Projektgesellschaften sind Firmen, die gegründet werden, um ein konkretes Projekt zu planen, zu finanzieren und zu betreiben. Jede Projektgesellschaft ist als Komplementärin an die GmbH gebunden. Das ist ein übliches und sinnvolles Vorgehen bei der Umsetzung von Projekten solcher Größenordnungen. Zum einen geht es darum, dass unsere Genossenschaften eine abgeschlossene Firma haben, in der sie die Projekte finanzieren können. Die Projektgesellschaft hat dabei die Funktion eines Finanzierungskonstrukts. Es macht Banken leichter, Finanzierung bereitzustellen und die Verwendung der Gelder zu prüfen. Zum anderen ist es ein großer Vorteil für die Genossenschaft, die den Solarpark später betreibt, alle Aktivitäten in einer eigens dafür entstandenen Firma zu bündeln. Die klare Struktur und der genau definierte Zweck ermöglichen zum Beispiel die einfachere Beteiligung von Mitgesellschaftern, sei es die Kommune oder weitere beteiligte Genossenschaften. Im Laufe der Projektentwicklung sollen die gegründeten Projektgesellschaften an die Genossenschaften übertragen werden. Der Bau und spätere Betrieb der Anlagen liegen dann in den Händen der Bürger:innen vor Ort. Da wir kurz vor den ersten Baugenehmigungen stehen, rechnen wir für die kommenden Monate mit der Gründung weiterer Projektgesellschaften. So können die Genossenschaften in die Ausschreibung gehen und die Finanzierung vorbereiten. Für die ersten Projekte ist dieser Schritt bereits in der ersten Jahreshälfte von 2025 geplant.
Wie geht es danach weiter?
Bis das erste Modul auf einer genossenschaftlichen Freifläche unter Beteiligung der Bürgerwerke in Betrieb genommen werden kann, dauert es voraussichtlich bis 2026. Die lange Vorbereitungszeit hat aber auch etwas Gutes: So können die Bürger:innen wirklich informiert, beteiligt und mitgenommen werden. Und das ist, wie wir sehen, für eine erfolgreiche Umsetzung von Energiewende-Projekten die wichtigste Voraussetzung.
Sind Sie Flächenbesitzer:in und finden die Idee, Land an einen Solarpark in Bürgerhand zu verpachten, spannend? Hier finden Sie alle Informationen.
Felix Schäfer
Geschäftsführender Vorstand der Bürgerwerke
Hat die Bürgerwerke mitgegründet und ist bis heute überzeugt davon, dass wir die Energiewende schaffen können, wenn wir so viele Menschen wie möglich beteiligen. Setzt sich seit über einem Jahrzehnt mit aller Kraft dafür ein. Entspannung und Ausgleich holt er sich beim Tanzen, Surfen oder Kochen.