Zum Hauptinhalt springen
Hier sprechen Workshopteilnehmende über die Themen des Tages. Man sieht insgesamt sechs Personen im Gespräch, dahinter ein Flipchart. Eine junge Frau notiert etwas auf einer Moderationskarte

Mitglieder der BürgerEnergie Harz beim Workshop mit dem Netzwerk Energiewende Jetzt e.V.

Erleben

Coaching für mehr Bürgerenergie

Die Technologien der Erneuerbaren Energien entwickeln sich in Windeseile. Ebenso schnell wandeln sich die rechtlichen Rahmenbedingungen – oft nicht zum Vorteil von Bürger-Energiegenossenschaften. Wer da auf dem Laufenden sein will, braucht Fortbildung und Coaching. Das bietet der Verein Netzwerk Energiewende Jetzt, mit dem die Bürgerwerke seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Ein Beispiel aus dem Harz zeigt, wie fruchtbar diese Kooperation sein kann. 

Ingo Leipnervon Ingo Leipner
17.12.2025

„Wir haben 2019 mit drei PV-Dachanlagen angefangen“, berichtet Sibylle Schwartze-Eidam von der Genossenschaft BürgerEnergie Harz. Sie engagiert sich seit der Gründung gemeinsam mit Vorstandsmitglied Cornelia Grote-Bichoel in der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit. Nach langwieriger Planung ging 2024 der Solarpark Dörnten Ost ans Netz, der bis heute 18,9 GWh Strom produziert hat. Kostenpunkt: 8,5 Mio. €. „Die Freiflächen-Anlage steht auf einem steinigen Acker, den Landwirte nicht mehr bewirtschaften wollen“, so Sibylle Schwartze-Eidam, „ein Bahndamm liegt in der Nähe“. Gute Bedingungen, um eine Freiflächen-Anlage zu betreiben. Aber sie und ihre Genossenschaft haben die Erfahrung gemacht: „Es ist sehr schwierig, für solche Großprojekte mit langer Planungszeit im Vorfeld Geld einzusammeln, bis eine Genehmigung vorliegt. Besonders in unserer ländlichen Region.“  

Daher nahm sie für ihre Energiegenossenschaft an Workshops teil, die der Verein Netzwerk Energiewende Jetzt für die BürgerEnergie Harz organisierte. Seit vielen Jahren schon ist der Verein ein Kooperationspartner der Bürgerwerke. „Als Dachgenossenschaft und Partner haben wir die Hälfte der Coaching-Kosten übernommen “, erläutert Juna Schönborn von den Bürgerwerken. Sie betrachtet das Coaching als gute Begleitung der wichtigen Arbeit der Energiegenossenschaften und erkennt einen großen Hebel, der im Wissenstransfer zwischen den Genossenschaften steckt: „Wir müssen das Rad nicht an jeder Stelle neu erfinden.“ 

Zukunftsweisende Fragen – gemeinsame Antworten

Der Genossenschaft BürgerEnergie Harz stellen sich große Fragen: Was ist der bessere Weg? Eine weitere Investition in PV-Freiflächen-Anlagen wie beim Solarpark Dörnten Ost? Oder sollten sich die Genoss:innen nicht doch an einem Windrad beteiligen? Und wie sieht es mit Batterien aus? Sollten Erzeugungs-Anlagen besser mit oder ohne Speicher entstehen? Für Unsicherheit sorgen auch die schwankenden Rahmenbedingungen aus der Politik.  

Ein weiteres Thema fürs Coaching: Kommunikation – intern und extern. Sibylle Schwartze-Eidam wollte erfahren, wie sich die unterschiedlichen Kanäle besser nutzen lassen, von der klassischen E-Mail bis zu sozialen Medien. Ihre Genossenschaft hat bereits zwei Messengergruppen, um sich kurzfristig auszutauschen. Wichtig war ihr ebenfalls die Frage, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und den Arbeitsgruppen verbessern lässt. Alle diese Themen wurden in den Workshops diskutiert. Immer begleitet von der Frage: „Wie können wir uns zukunftsfähig aufstellen?“  

Hier halten Mitglieder der BürgerEnergie Harz ein Transparent hoch, auf dem "Gemeinsam Erneuerbare Energien nutzen" steht.

Die Mitglieder der BürgerEnergie Harz eG wollen die Energiewende in Bürgerhand noch wirksamer voranbringen.

Mit Coaching zu neuen Lösungen

Um solche Diskussionsprozesse anzustoßen und Lösungen zu finden, kam Dr. Lara Track vom Verein Netzwerk Energiewende Jetzt in den Harz. Sie ist Senior Projektmanagerin im Bereich Frauen für die Energiewende. Lara Track arbeitet auch als Coach und will der Klimakrise in einer Weise begegnen, „die möglichst vielen Menschen Teilhabe ermöglicht und innovative, sozial verträgliche Formen des Zusammenarbeitens und -wirtschaftens fördert.“

Da bieten sich Bürger-Energiegenossenschaften an, denen Lara Track mit ihrem Coaching hilft, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Begleitet hat sie Rainer Lange, Vorsitzender des Vorstands im Verein NetzwerkEnergiewende Jetzt sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Heidelberger Energiegenossenschaft. Er kann im Coaching aus reicher Erfahrung schöpfen und trägt auf diese Weise zum Wissenstransfer bei, der im Netzwerk der Energiegenossenschaften möglich ist. 

Hier ist Dr. Lara Track vom Verein Netzwerk Energiewende Jetzt zu sehen, wie sie anhand von Moderationskarten etwas erläutert.

Dr. Lara Track vom Verein Netzwerk Energiewende Jetzt beim Coaching im Harz.

Wie wichtig diese Netzwerk-Arbeit ist, zeigt der Solarpark Dörnten Ost. An diesem beteiligt sich seit Januar 2024 die Energiegenossenschaft Ilmtal mit 48 % und steuert so das fehlende Eigenkapital bei, das die Banken gefordert haben. 3 % liegen in der Hand von Landwirt:innen, denen der Grund und Boden gehört. Und: 49 % sind bei der BürgerEnergie Harz verblieben. Vor diesem Hintergrund wurde in den Workshops ebenfalls darüber nachgedacht, in welcher Weise sich Energiegenossenschaften auf eine „breitere Finanzierungsbasis“ stellen können, wie es Sibylle Schwartze-Eidam berichtet. Zum Thema Finanzierungsmethoden wurde als weiterer Coach Andreas Gißler gewonnen, der 2010 die Heidelberger Energiegenossenschaft mitgegründet hat.

Ein weiteres wichtiges Ziel solcher Workshops ist es, die Arbeit in den Genossenschaften zu professionalisieren, wie es Juna Schönborn ausdrückt. „Wir wollen das Ehrenamt stärken, zielen dabei aber eigentlich auf eine spätere hauptamtliche Tätigkeit. Das Ehrenamt ist extrem wichtig. Doch mit dem Schaffen von Hauptämtern können Genossenschaften noch wirksamer werden.“

Magazin-Artikel in Ihr Postfach?

Tragen Sie sich ein in unseren Rundbrief-Verteiler 
Erhalten Sie regelmäßige Updates mit den besten Artikeln des Online-Magazins
Jederzeit abbestellbar

Entscheidend kann dabei sein, das eigene Handeln zu reflektieren, wozu gerade solche Workshops eine Gelegenheit bieten. Sibylle Schwartze-Eidam fasst zusammen: „Das waren sehr gute Workshops, die Struktur in unsere Gedanken gebracht haben.“ 

Übrigens: Die Bürgerwerke hatten anlässlich der vorgezogenen Bundestagswahl im März 2025 um neue Abonnent:innen ihres Rundbriefs geworben. Das für jede:n neue:n Leser:in von den Bürgerwerken gespendete Geld machte die Workshops im Harz möglich. 

Ingo Leipner

Ingo Leipner

bringt Komplexität auf den Punkt

Der Diplom-Volkswirt und Wirtschaftsjournalist schreibt seit Jahren immer wieder über Bürger-Energiegenossenschaften. Ihn fasziniert diese demokratische Variante der Energiewende, weil sie für Bürgernähe und Dezentralität steht. Mit seiner Textagentur EcoWords beobachtet er seit 2005 das Auf und Ab um Erneuerbare Energien.