Bürgerwindanlage „Gute Ute"
Auf der Neutscher Höhe im Odenwald (Hessen) steht die Windkraftanlage WindSTARK 1 der Energiegenossenschaft Starkenburg. Aber tatsächlich nennt niemand das Windrad WindSTARK 1. Die Starkenburger nennen ihr Windrad „Gute Ute“.
Genossenschaftsvorstand Micha Jost schmunzelt noch heute, wenn er die Geschichte erzählt: Im Juli 2011 hatte die Starkenburger Energiegenossenschaft fast alle Herausforderungen gemeistert, die beim Bau eines Windrads auftauchen. Nur eine letzte Hürde bereitete den Starkenburgern Kopfzerbrechen. Egal, wie sie es drehten und wendeten: An einer engen Kreuzung im Ort, genau in der Schleppkurve des Transporters, würde der Schwerlasttransport mit den Rotorblättern des Windrads nicht vorbeikommen. Denn an dieser Stelle, in Utes Vorgarten, stand eine Pflanze im Weg – eine Kugelthuja, die noch Utes Opa gepflanzt hatte. „Zum Glück kennen wir uns hier alle im Ort. Also hat unser Aufsichtsratsvorsitzender Manfred bei Ute geklingelt, ihr erklärt, was wir vorhaben und warum uns das Projekt so wichtig ist", erzählt Micha. Und so kam es, dass Ute zustimmte, einen Teil ihres Vorgartens zu opfern, damit die Energiegenossenschaft ihr Windkraft-Projekt umsetzen konnte. Zum Dank tauften sie das Windrad "Gute Ute".
Die 2,05-Megawatt-Anlage, eine REpower MM 92 mit einer Nabenhöhe von 100 m und 92 m Rotordurchmesser, wurde speziell für die Nutzung im Binnenland entwickelt. Sie produziert seit Ende 2011 jährlich rund 4,5 Millionen Kilowattstunden und kann damit mehr als 600 Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgen. Auf der Neutscher Höhe gibt es bereits seit 1994 drei kleinere Windräder, sodass der Standort erwiesenermaßen gut für die Windkraft geeignet ist. Initiiert wurde der Anlagenbau von Jürgen Simon, Planer von Windenergieanlagen in Heppenheim (3P Energieplan GmbH). Die Planungen begannen im Jahr 2009. Im Dezember 2010 lag die Baugenehmigung für den Standort vor.
Mutiges Projekt, gemeinsam möglich gemacht
„Ja, man könnte schon sagen, dass wir ziemlich verrückt waren, als erstes Projekt eine Windkraft-Anlage zu bauen“, lacht Jürgen Simon, der 2011 die Baumaßnahmen leitete. „Die Lernkurve war jedenfalls steil.“ Üblicherweise beginnen neu gegründete Energiegenossenschaften zunächst mit kleineren Projekten, wie zum Beispiel Solaranlagen. Die Starkenburger legten direkt mit einem Windrad los. Unüblich, aber nicht unmöglich, wie sich zeigte.
Der Bau der Windenergie-Anlage begann Mitte Juli 2011, bereits ein halbes Jahr nach der Gründung der Genossenschaft. Bei der Finanzierung der insgesamt 3,3 Millionen Euro stand die Genossenschaft unter erheblichem Zeitdruck. Doch trotz des Neulands konnte die Genossenschaft das Projekt erfolgreich und mit damals noch komplett ehrenamtlichem Engagement umsetzen: Mit der Energiegenossenschaft Odenwald wurde eine zweite Genossenschaft ins Boot geholt, die 49 % des notwendigen Kapitals einbrachte. Die 51 % der Starkenburg eG wurden komplett aus Bürgerkapital finanziert, 288 Personen beteiligten sich an dem Projekt. Nach weniger als einem halben Jahr Bauzeit wurde die Windenergie-Anlage im Dezember 2011 in Betrieb genommen. Ein Riesenerfolg und für die Energiegenossenschaft Starkenburg erst der Anfang.
Übrigens gibt es auch für Utes Vorgarten ein Happy End. Die betagte Pflanze aus Utes Vorgarten wurde von einer Fachfirma mit Wurzelballen entnommen, eingelagert und nach der Transportaktion wieder an Ort und Stelle eingepflanzt. Mit anschließender Pflege hat Opas Kugelthuja die Aktion überlebt und steht heute wieder an ihrem Platz.