Eintauchen

Wirkung als Unternehmensziel

Mit unserem Handeln als Organisation streben wir eine gesellschaftliche Veränderung an: Die Umsetzung der Energiewende unter Beteiligung von so vielen Menschen wie nur möglich. Wenn die eigene Wirkung und das Selbstverständnis als Organisation so stark zusammenhängen, lohnt es sich, genau hier mal einzutauchen. In diesem Artikel fasse ich zusammen, was wir als Bürgerwerke unter unserer Wirkung verstehen – und welche Fragen wir uns stellen.

Juna Schönbornvon Juna Schönborn
02.11.2024

Die Bürgerwerke als Sozialunternehmen

Wir, die Bürgerwerke, sprechen von uns selbst als einer wirkungsorientierten Organisation. Das bedeutet in erster Linie, dass wir die gesellschaftliche Wirkung, die wir anstreben, über den Gewinn stellen, den wir erzielen wollen. Damit erfüllen wir die Definition eines Sozialunternehmens – oder auf Englisch: Social Enterprise. Bei SEND, dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, heißt es:

„Das primäre Ziel von Social Entrepreneurship ist die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Dies wird durch kontinuierliche Nutzung unternehmerischer Mittel erreicht und resultiert in neuen und innovativen Lösungen.“  

Was hier zunächst etwas wissenschaftlich daherkommt, bedeutet im Alltäglichen: Konsequentes Handeln aus Überzeugung. In allen unseren unternehmerischen Entscheidungen zielen wir auf die größtmögliche Wirkung für die Energiewende in Bürgerhand. Unser Wachstum als Organisation ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass unser Netzwerk seine Wirkung immer weiter steigern kann. Denn je mehr Menschen Kund:innen bei den Bürgerwerken werden, desto mehr Geld können wir an unser Netzwerk weitergeben. Was letztlich heißt, dass unsere Genossenschaften mehr Möglichkeiten haben, Energiewende-Projekte umzusetzen. 

Hand in Hand: Zwei Genossenschaftsmitglieder tauschen ein Solarpanel ihrer Freiflächen-Anlage aus.

Hand in Hand: Zwei Genossenschaftsmitglieder tauschen ein Solarpanel ihrer Freiflächen-Anlage aus.

Wenn etwas für eine Organisation so zentral ist, bedeutet das natürlich, dass ihre Mitarbeitenden sich regelmäßig und intensiv Gedanken darum machen. Bei uns gibt es einen eigenen Geschäftsbereich, der sich ausschließlich um unsere Mitgliedsgenossenschaften – und damit um unsere Wirkung - kümmert. Regelmäßig sprechen wir darüber, wie wir die gesellschaftliche, soziale und ökologische Wirkung der Bürgerwerke messen und erhöhen können.

Doch wie ist „Wirkung“ zu verstehen?  

In Abgrenzung zu anderen Verständnissen des Wortes „Wirkung“ - beispielsweise die physikalische oder die pharmazeutische – ist der gesellschaftliche „Impact“ viel schwerer zu fassen und zu messen. Eine Organisation, eine Maßnahme oder auch ein Diskurs erzielt dann Wirkung/ Impact, wenn sich die Gesellschaft als Ganzes in der Folge verändert. Ein großes Ziel also, das am Ende einer ganzen Treppe von einzelnen Wirkungen steht. Schauen wir uns daher genau diese Wirkungstreppe einmal an.

PHINEO, die gemeinnützige Plattform für Engagement, erklärt soziale oder gesellschaftliche Wirkung mit einer Treppe, die sieben Stufen hat. Auf den ersten drei Stufen sprechen wir nicht von Wirkung, sondern von Ergebnissen (Output). Bei den Bürgerwerken könnten wir das so übersetzen:

  • Stufe 1: Die Bürgerwerke vertreiben BürgerÖkostrom und BürgerÖkogas
  • Stufe 2: Menschen erfahren davon
  • Stufe 3: Menschen werden zu Energiekund:innen der Bürgerwerke

Bis hierhin konnten die Bürgerwerke als Organisation Kund:innen von sich überzeugen. Diese haben mit ihrem Handgriff - ihrem Wechsel zum Ökostrom der Bürgerwerke - den Grundstein für die Wirkung gelegt, die wir entfalten können. Doch von dieser Wirkung spricht man erst ab der vierten Stufe der Wirkungstreppe. Der englische Begriff „Outcome“ ist hier treffender als das deutsche „Erfolg“. Gleichzeitig versuchen wir immer, möglichst wenige englische Begriffe in unsere Sprache zu übernehmen. Bleiben wir also der Einfachheit halber bei „Erfolg“ und schauen uns die nächsten Stufen an:

  • Stufe 4: Kund:innen der Bürgerwerke lernen mehr über die Energiewende und verändern ihr Bewusstsein oder gewinnen neue Fähigkeiten dazu. Zum Beispiel lesen sie in unserem Online-Magazin und verstehen den Strommarkt besser
  • Stufe 5: Kund:innen der Bürgerwerke passen ihre Verhaltensweisen an. Zum Beispiel empfehlen sie die Bürgerwerke ihren Nachbar:innen, montieren ein Balkon-Solarmodul oder gehen zum ersten Mal auf einen Klimastreik
  • Stufe 6: Die Veränderungen wirken sich auf das Leben der Kund:innen positiv aus. Zum Beispiel, weil das Balkonmodul die Stromrechnung senkt oder ihr Engagement in ihrem Bekanntenkreis andere mitreißt und motiviert

Jetzt können wir als Organisation von Wirkung sprechen. Doch wie sieht die letzte Stufe der Wirkungstreppe bei uns aus? Und was ist mit den Genossenschaften, die unsere Energiekund:innen mit ihrem Energiebezug direkt fördern?

In der siebten Stufe der Wirkungstreppe erkennen wir eine Veränderung der Gesellschaft. Hier wird es bei uns so richtig interessant. Unser Impact, vielleicht am treffendsten mit „Einfluss“ übersetzt, findet nämlich auf mehreren Ebenen statt. Führen wir das Beispiel von oben fort:

  • Stufe 7: Immer mehr Menschen beziehen Strom oder Gas von den Bürgerwerken und haben damit eine direkte persönliche Wirkung auf das Vorantreiben der Energiewende in Bürgerhand.

Das ist eine sehr spannende Aussicht und eine deutliche Wirkung der Bürgerwerke auf die Gesellschaft. Sie hat gleichzeitig den Vorteil, dass sie messbar ist. Denn wir wissen, wie viele Kund:innen wir haben, und können sagen, wann es mehr werden.

Wirkung in Bürgerhand

Doch wir zielen auf noch viel mehr Wirkung – und diese erzeugen unsere Mitgliedgenossenschaften. Der Impact unserer Mitglieder geht weit über die bisher beschriebenen Wirkungsgrade hinaus. Gehen wir die Wirkungstreppe noch einmal durch, dieses Mal mit der Arbeit unserer Genossenschaften:

  • Stufe 1: Unsere Mitgliedgenossenschaften betreiben Bürgerenergie-Anlagen und verkaufen den Strom über die Bürgerwerke
  • Stufe 2: Menschen erfahren davon
  • Stufe 3: Menschen engagieren sich in der Genossenschaft
  • Stufe 4: Genossenschaftsmitglieder lernen mehr über die Energiewende und verändern ihr Bewusstsein oder gewinnen neue Fähigkeiten dazu
  • Stufe 5: Genossenschaftsmitglieder werden selbst aktiv, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit, in der Projektentwicklung oder in der Arbeit mit den Kommunen
  • Stufe 6: Die Veränderungen beeinflussen das Leben der Mitglieder positiv; sie setzen der Ohnmacht gegenüber der Klimakrise etwas entgegen und begeistern damit andere
  • Stufe 7: Durch das Engagement der Genossenschaftsmitglieder steigt die Akzeptanz gegenüber der Energiewende. Hoffnung entsteht, dass wir die Energiewende als Gesellschaft schaffen können. Die Vision einer klimagerechten und lebenswerten Zukunft für alle wir greifbarer.
 Was die Bürgerwerke-Gemeinschaft verbindet? Die Begeisterung für Bürgerenergie!

Was die Bürgerwerke-Gemeinschaft verbindet? Die Begeisterung für Bürgerenergie!

Wir sind ehrlich: Für uns klingt das sehr attraktiv. Gleichzeitig stehen wir genau hier vor einem Problem: Akzeptanz und Hoffnung auf eine gute gemeinsame Zukunft lassen sich sehr schwer messen. Denn wie packt man Hoffnung in eine Kennzahl, die in unserem Berichtswesen auftaucht und idealerweise jedes Jahr steigt? Wie finden wir heraus, wie sich die Akzeptanz für die Energiewende in einer bestimmten Region über die Jahre verändert? In harten Zahlen ist so etwas lediglich indirekt messbar: In den Zahlen zugebauter PV- oder Windkraftanlagen in Bürgerhand zum Beispiel. Oder in der steigenden Berichterstattung über Bürgerenergie. In der Berücksichtigung der Bedarfe der Bürgerenergie-Bewegung bei politischen Entscheidungen. All diese Zahlen sehen seit Jahren sehr vielversprechend aus. Den zugrundeliegenden Wirkmechanismus, also das, was diese Zahlen verursacht, können wir nur indirekt erschließen.

Fest steht: Für uns ist genau diese gesellschaftliche Wirkung der Motor unseres Handelns – egal, wie viel davon wir in harten Zahlen ausdrücken können. Jeden Morgen stehen wir für die Umsetzung der Energiewende in Bürgerhand auf. Und wir freuen uns über jeden Menschen, der zu uns stößt: Als Energiekund:in, als Genossenschaftsmitglied, als Multiplikator:in.

Nun haben Sie als Leser:innen eine Vorstellung, was wir mit „Wirkung“ meinen, und welche Fragen wir uns dazu regelmäßig stellen. Welche Fragen haben Sie? Und welche Zahlen zu unserer Wirkung fänden Sie besonders interessant? Ich freue mich über Ihre Impulse!

Juna Schönborn

Juna Schönborn

Sorgt für stimmige Kommunikation im Innen und Außen

Arbeitet schon lange ausschließlich für Weltverbessernde und findet, alle Menschen sollten das tun. Hält gerne spontane Impulsvorträge beim Mittagessen zu Literatur, Gesellschaftspolitik, Popkultur und Feminismus.

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